Die Geschichte von Julchen

In meinem Leben...und meinem Herzen...gab und gibt es viele Hunde.
Und auch wenn man das oft nicht wahrhaben oder zumindest nicht zugeben will, manche berühren das Herz mehr als andere.
Eben habe ich ein Foto von Julchen gefunden und einen Text, den ich vor 3 Jahren geschrieben habe.
Und weil die Geschichte von Julchen für mich jetzt wieder aktuell geworden ist, weil ich viel an die Zeit mit ihr gedacht habe, kommt jetzt
"Die Geschichte von Julchen".
Für viele mag es verrückt klingen...aber gerade beim Lesen musste ich mir auch nach so langer Zeit noch eine Träne verdrücken.
Danke Julchen für die Zeit mit Dir.


Herbst 2014









Julchen ist alt, über 17 Jahre. Fast 14 davon lebt sie bei uns.
Als sie bei uns einzog war sie ein „gefährlicher Hund“, hatte zugebissen und ihren Stempel kassiert.
40cm und 13 kg Hund im Zwinger der Auffangstation unserer Stadt.
Sie wurde mit einer anderen Hündin zusammen als angebunden gemeldet und musste in den Zwinger einziehn.
Sie war ängstlich mit Tendenz zum Schnappikrokodil.

Ihr Besitzer und ihre Vorgeschichte konnte recherchiert werden, nichts Schönes....und zum Beißen hatte sie wahrlich genug Gründe.
Aber Hunde in unserer Gesellschaft dürfen nicht beißen, auch nicht aus Notwehr, das gibt es nur für Menschen, das Recht, sich zur Wehr zu setzen.
Damals war ich noch aktives Mitglied des Tierschutzvereins und habe mich regelmäßig um die Hunde gekümmert, sehr gerne, weil Hunde meine Leidenschaft und mein Leben sind.
Und Julchen war eine Herausforderung...meine Herausforderung.
Ich habe Stunden vor ihrem Zwinger verbracht, mit Futter und Spielzeug und säuselnder Stimme.
Julchen war eine harte Nuss aber dann....Vertrauen gegen Vertrauen und neugierig wie sie immer war, hat sie mein Herz im Sturm erobert.
Leider hatte ich keinen Rückhalt durch den Verein, leider haben Entscheidungsträger Julchen anders gesehn, leider war zu der Zeit die tragische Geschichte um den von Hunden getöteten Jungen Volkan noch zu aktuell...leider sollte Julchen keine Chance bekommen.
Was dann kam war nicht schön, musste aber wohl sein, damit die Geschichte von Julchen weiter gehen konnte.

Ich bin seit dem nicht mehr im Verein, kann mich aber noch genau an den 22.2.2001 erinnern, der Tag, an dem wir einen 5. Hund bekamen.
Julchen war eine der ersten Hunde hier, die einen Wesenstest machen mussten.Natürlich hat sie bestanden....und nie wieder gebissen.
13,5 Jahre hat sie mit uns gelebt, im Garten getobt, den Wald erobert, das Meer mit uns genossen und Berge erwandert, im Bett geschlafen, die Katzen umher gescheucht, andere Hunde kommen und gehen sehn....
Julchen war immer so selbstverständlich dabei.

Das Julchen alt ist, weiß ich nicht erst seit heute.
Sie läuft nur noch kurze Strecken, sie schläft sehr sehr viel, die Treppen schafft sie schon lange nicht mehr, nachts trägt sie eine Windel, weil sie nicht mehr ganz so stubenrein ist. 
Mit Menschen ist sie wieder kritischer geworden und das liegt vielleicht nicht nur an den schwindenden Sinnen. Auch Hunde werden im Alter vergesslich.Demenz ist auch hier ein Thema.
Nun kann sie kaum noch selbst stehen und das Umdrehen im Bett nachts ist nicht mehr selbstverständlich.Sie braucht Hilfe für alles, fällt oft einfach um.
Immer öfter zittert sie am ganzen Körper....

Einfach so einschlafen, dahingleiten, auf die Reise gehen.....ich hab es mir so für Julchen gewünscht.
Für sie...aber auch für mich, weil es schwer ist „Jetzt“ zu sagen ohne Zweifel.
Nun wird „Jetzt“ heute sein.
Sie liegt neben mir auf der Bank in der Küche, wie jeden Tag.
Aber heute ist es anders...heute ist das letzte Mal...

Zeit ist eine komische Sache...und nun ist das Heute, von dem ich schrieb schon wieder vergangen.
Julchen ist gestern abend in meinen Armen ganz leise eingeschlafen...
Die anderen Hunde haben nur kurz ihre Nasen an den kleinen Körper gehalten....
Das Leben geht weiter, für Hunde oft viel schneller als für uns.
Wir haben sie noch im Dunkeln begraben und zu viel Wein getrunken....
Wenn ich an sie denke, habe ich Mühe,die Tränen zu verdrücken.
Die Zeit vergeht so schnell.....nicht nur für Hunde.



P.S. Natürlich ist ein Hund mit einer solchen Vorgeschichte nicht für jede Familie geeignet.
Einen erwachsenen Hund aus dem Tierschutz zu übernehmen, muss gut überlegt und vorbereitet sein.
Allerdings habe ich den Eindruck, das viele es sich zu einfach machen und aus welchen Gründen auch immer einen Secondhandhund von Vornherein ausschliessen.
Wir Menschen "produzieren" diese Hunde. Wir sind auch für sie verantwortlich. Nicht nur, wenn sie klein und niedlich sind.
Auch wenn sie einen eigenen Charakter entwickelt haben, der von Everybodys Darling weit entfernt ist.
Aus meiner Erfahrung ist das Leben mit einem Seconhandhund jede Minute wert.




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