Der Zweck heiligt die Mittel?

Bewundernswert und neidisch sehe ich einen jungen Mann mit seinem mittelgrossen Hund unseren Weg kreuzen.
Der Hund läuft ohne Leine ganz wenig hinter seinem Menschen, die Rute entspannt, der Körper locker.
Sein neugieriger Blick zu unserer Gruppe mit 12 Hunden schweift sofort zurück zu dem jungen Mann, der mittlerweile sein Handy zur Hand genommen hat und ohne anzuhalten weiter seinen Weg geht.
Genau so sieht es aus...das, was ich den Menschen mit ihren Hunden, die zu mir ins Training kommen erkläre.
Die meisten Mensch-Hund-Teams üben schon eine Weile unter meiner Anleitung und sind nicht so perfekt wie das Team vor uns.
Welcher meiner Hunde würde sich genau so verhalten?
Gandhi, mein 11 jähriger Herdenschutzmix. Vermutlich würde er einen längeren Blick in Richtung Gruppe werfen und kurz anhalten, um die Situation einzuschätzen.
Tita, meine 10 jährige Mixhündin….auf keinen Fall.Definitiv bräuchte sie ein Signal zum Folgen...möglicherweise auch einen ernsten Hinweis…
Eigentlich würde sie auf die Gruppe zulaufen und abchecken, wer das ist. Und nein, sie wäre dabei weder souverän noch entspannt.
Und da haben wir das Dilemma in meinem Kopf….ich bin Hundetrainerin und meine eigenen Hunde sind schlechter als der fremde Hund vor mir.
Hatte ich schon erwähnt, das ich echt neidisch bin und am liebsten den jungen Mann fragen würde, wie er das eigentlich hin gekriegt hat?
Gibt es einen Tipp, einen Hinweis, eine besondere Art, Bindung zu festigen, Verhalten zu belohnen, ein Hilfsmittel, was ich kaufen könnte, besonderes Futter oder Leckerli????
Scheiße….ich will das auch genau so.
Ich will den Blick von den Menschen ( und meinen Kunden ), der mir sagt, wie toll ich doch im Umgang mit Hunden sein muss, wenn ich das so cool hinbekomme.
Und dann geschieht das Unfassbare….Noch eine Menschengruppe mit Hund kreuzt den Weg des perfekten Mensch-Hund-Teams.
Diesmal bricht der braune Mischling hinter dem jungen Mann kurz in Richtung des anderen Hundes aus und reagiert nicht auf das stimmliche Signal seines Menschen.
Erst auf das wutentbrannte Hierher wendet er sich um….knickt mit allen Vieren ein und rutscht fast auf dem Bauch zu seinem Menschen. Mit allen seinen Möglichkeiten beschwichtigt er den jungen Mann.
Und der perfekte Mensch, den ich eben noch um Rat fragen wollte, greift seinem Hund jähzornig mit beiden Händen ins Fell, schleudert ihn über seinem Kopf hin und her und wirft ihn von sich weg in den Graben am Wegrand, wo der Hund sehr unsanft landet, zittert und total verstört ist.
Aus dem Held von eben ist ein kleines Arschloch geworden….weil er sich selbst nicht unter Kontrolle hat einerseits. Weil er absolut keine Ahnung von Hundeverhalten hat andererseits.
Weil er seinen Hund nicht als Freund sondern als was auch immer sieht.
Das er keine Leine dabei hatte, weil perfekte Menschen selbstverständlich keine Leine brauchen, erwähne ich nur nebenbei.
Der Zweck heiligt die Mittel?
Ich denke nein.
Möglicherweise werde ich nie einen solchen Hund haben, wie oben beschrieben….
Aber zumindest in diesem Fall ist mein Neid dahin und Bewunderung empfinde ich nicht mehr.
Meine eigenen Hunde sollen sich nie vor mir fürchten müssen, übertriebene Demutsgesten möchte ich nicht sehen.
Ein gesunder Respekt...gegenseitig natürlich...reicht mir völlig.

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